Vive la France! | Mai 2022

Ich stehe vor dem Hangar im Birrfeld und lasse den Blick über den Horizont schweifen. Ich drehe mich um 360 Grad und runzle die Stirn. Als Schönwetterfliegerin können mich Regenwolken nicht wirklich begeistern. Sie ziehen über die Hügel rund ums Birrfeld und die helleren Flecken sind komplett in die andere Richtung, als wir fliegen möchten…

Wie bin ich nur in diese Lage geraten?! Ich, die lieber bei blauem Himmel unterwegs ist. Oder maximal neben ein paar attraktiv bauschigen Schäfchenwolken vorbeifliegt…

Ganz einfach: wir wollen nach Süden. Sonne tanken am Strand von Südfrankreich. Einen Rosé mit Blick aufs Meer geniessen. Mit nackten Füssen über den heissen Sand stapfen. Und dafür müssen wir eben erst mal durch das Wetter der Schweiz hindurch.

Trotzdem ziehen wir die Mooney aus dem Hangar, laden das Reisegepäck, die Flugunterlagen, die Headsets und die Schwimmwesten ein. Die Flugplanung ist komplett, der Zoll für den Ausflug ins Ausland aktiviert und Oliver beginnt schon mit den Checks, um den Motor anzulassen. Noch einmal checke ich alle möglichen Wetter-Apps und Webcams mit dem immer gleichen „Erfolg“. Eitel Sonnenschein ist erst in Frankreich zu erwarten.

Der Wind zieht noch immer zügig über den Flugplatz, die Wolken wabern weiter, aber noch sind die Wolkenuntergrenzen und Sichtweiten auf unserer Route im grünen Bereich.

Wir halten erst Mal an unserem Plan fest. Zwar nicht ganz nach dem Motto „Ich mache einfach die Augen zu und durch“, aber zumindest „Gut gewagt ist halb gewonnen“.

Wir können bereits weitere Hügelketten in die geplante Ausflugsrichtung sehen – was uns in der Hoffnung bestärkt, dass es west-südwestlich wettertechnisch besser wird. Die Schlüsselstellen befinden sich von Grenchen bis nach Genf, Frankreich erwartet uns aber gemäss den Webcams mit eindeutig besserem Wetter.

Wir rollen mit der getankten Mooney in Richtung Runway 26 und sind bereit. Nach einem kurzen „Ready?“ an mich bestätige ich und Oliver gibt Vollgas. Der Geschwindigkeitszeiger steigt schnell und kurz darauf heben wir ab in Richtung Westen. Etwas holprig und den Windböen ausgesetzt, mit voller Aufmerksamkeit steuern wir den Sector West an. Unsere Augen sind überall, wir haben das Gelände, das Wetter fest im Blick. Es ist anspruchsvoll, aber für Oliver, der das Gelände in- und auswendig kennt, auch keine Hexerei.

Der erste Regenschauer erwischt uns, aber der Propeller fegt jeden Tropfen zuverlässig von der Scheibe. Das AKW von Gösgen kommt in Sichtweite und wir entscheiden, noch ein paar Kilometer weiterzufliegen. Aber rund um uns herum schliesst sich langsam das Wetterfenster, welches wir zum Umdrehen brauchen würden und nach kurzer Zeit entschliesst sich Oliver, doch abzudrehen und das Birrfeld wieder anzusteuern.

Nach einer sanften Landung wie aus dem Lehrbuch rollen wir von der Piste und beraten die nächsten Schritte. Viel länger können wir nicht mehr warten, da es schon später Nachmittag ist und die Flugzeit bereits ohne Wetter-Umwege gut zwei Stunden dauert. Eine Variante wäre der Abflug in Richtung Freiburg, nördlich von Basel nach Frankreich. Das Wetter könnte dort etwas besser sein. Jedoch haben wir diese Planung nur rudimentär gemacht.

Schlussendlich entscheiden wir uns für „Safety first“ und stellen den Flieger für heute zurück in den Hangar. Natürlich sind wir so mitten in der Rush-Hour auf der A1 nach Hause – aber Pläne haben wir offensichtlich keine mehr für den Abend…

Am nächsten Tag ist das Wetter so schlecht und der Wind in Béziers so stark (30 km/h mit Böen bis 50 km/ von rechts), dass wir es gar nicht erst versuchen. Erst am Samstag sieht die Prognose bis Mittag in Frankreich besser aus und wir entschliessen uns, noch einen Versuch zu wagen. Immer noch locken die Sonne, der Strand, der Rosé.

Um doch noch jede Minute der übrigen 24 Stunden im Süden auszunutzen und anzukommen, bevor der Wind auffrischt, fahren wir am Samstag früh morgens los und stehen kurz vor 8 Uhr im Birrfeld am Hangar. Es ist nicht mehr viel zu erledigen. Einen Koffer einladen, ein paar wenige Checks aussen am Flugzeug und als der Zoll wie von uns vorgemeldet um 8:30 Uhr nicht vor Ort ist, startet Oliver den Motor. Schon beim rollen sind wir zuversichtlich, dass es heute bezüglich Wetter einfacher und sicherer wird.

Und wir werden nicht enttäuscht! Wieder raus in den Sector West, 3’500 Fuss und tschüss Birrfeld – hallo Welt! Mit guter Sicht fliegen wir an Aarau und Olten vorbei und sind somit schon weiter als am Donnerstag. Nördlich von Bern und Payerne geht es über den Neuenburgersee in Richtung Lausanne. Bald steigen wir auf Flight Level 95 und können trotz einigen Wolkenfeldern südlich des Genfer Luftraums bleiben. Immer wieder bietet die Wolkendecke grosse Lücken an, die wir nützen könnten, um darunter zu kommen. Kurz nach Chambéry lösen sich die Wolken dann aber komplett auf und es geht flott und ruhig dahin.

Ruhig zumindest bis wir in der Region Montélimar mit dem Sinkflug beginnen. Dort fängt die Holperei so richtig an und wir müssen die Geschwindigkeit etwas zügeln, um das Flugzeug zu schonen. Mit permanentem Französischem Geplapper auf dem Ohr, folgen wir den wenigen Funk-Anweisungen in Englisch, die meist für uns sind.

Oft geht es zum Schluss beim Anflug schnell. Auch heute geht es zügig in Richtung Meer und bald schon drehen wir von unserem Westkurs nach Süden ab, um danach parallel der Küste im Tiefflug einen wunderschönen Anflug zu geniessen. Wir rufen den Tower von Béziers auf und erhalten die Erlaubnis zum Einfliegen in die Kontrollzone. Es ist nicht viel los und der Wind, der im Verlauf des Tages auffrischen würde, ist gnädig mit uns. Mit 16 Knoten leicht von rechts fliegen wir einen sehr langen Final auf Piste 27. Oliver landet den Vogel sanft und wir rollen via Taxiway A zu unserem Parkplatz für die Nacht.

Ausser, dass wir ungefähr 40 Stunden Verspätung gegenüber Plan haben, hat heute alles wunderbar geklappt! Wir bezahlen die Lande- und Parktaxen und warten vor dem Flughafen auf das Taxi nach Cap d’Agde. 38 Euro später können wir bereits unser Hotelzimmer, das wir kurz nach der Landung gebucht haben, beziehen und zum wohlverdienten Frühstück (ja, es gibt noch Frühstück um 12:30 Uhr 🙂 gehen…

Dass aus dem Frühstück ein Frühstück+ (also mit anschliessendem Apéro) wurde, ist eine Randnotiz. Genossen haben wir trotzdem – oder sogar umso mehr nach der Anspannung der letzten Tage.

In den letzten Tagen war für Sonntag immer gutes Wetter, maximal ein paar türmende Wolken am Nachmittag gemeldet. Etwas überrascht nehmen wir also zur Kenntnis, dass es nicht ganz so wolkenlos und einfach sein wird, wie gedacht. Das Taxi (das am Sonntag wundersamerweise statt 38.- nun plötzlich 50.- EUR kostet?!) holt uns pünktlich um 12:30 Uhr am Hotel ab. Der Ablauf am Flughafen ist Standard: Gepäck einladen, Kartenmaterial sortieren und bereitlegen, Checks aussen und innen, ein letzter WC-Besuch und kurz darauf sind wir nach der Mittagspause vom Tower startklar.

Ein klein wenig Geduld brauchen wir dennoch – wir erwischen genau einen Moment, in welchem einer der wenigen „grossen Maschinen“ in Béziers landet: eine Boening 737 der Ryanair ist im Endanflug und hat bereits eine Landeerlaubnis erhalten. Also dürfen wir erst Mal nur ZUR Piste, aber noch nicht AUF die Piste rollen und schauen in erster Reihe bei der Landung zu. Nach ihrem Touchdown rollen wir ans andere Ende der Piste für unseren Abflug. Kaum hat die Ryanair den Runway verlassen, erhalten wir das „Cleared for Takeoff Runway 09“ – and off we go!

Das Wetter zeigt sich gar nicht „Südfrankreich-typisch“. Vor uns zieht eine Regenzelle durch und die Wolken hängen rundherum mit einer Untergrenze von 5’000 Fuss eher tief. Es reicht aber, um erst Mal auf der Frequenz von Montpellier Approach auf 4’000 Fuss zu steigen. Nach der Regenzelle fragen wir für einen weiteren Steigflug auf Flight Level 90, später erhalten wir sogar FL 100. Für die Mooney alles kein Problem und auch heute ist die Wolkendecke nicht geschlossen, sondern bietet immer wieder grosse Lücken mit Blick auf den Boden.

So cruisen wir ruhig und mit wunderbarer Aussicht auf türmende Wolken im Mont Blanc Gebiet in Richtung Schweiz. Kurz nach dem Genfersee entscheiden wir uns, eine grössere Lücke in der Wolkendecke für unseren Sinkflug zu nutzen. Ungefähr bei Fribourg drückt Oliver die Flugzeugnase nach unten und wir drehen in einer Linkskurve auf 4’000 Fuss. Diese Strategie erweist sich als genau richtig, denn weiter Richtung Birrfeld wird das Wetter eher schlechter. Auf dieser Höhe fliegen wir bei sehr wenig Verkehr locker via Bern (inkl. Crossing TMA) und Aarau zurück in die Heimat.

Auch im Birrfeld ist nur wenig los und so müssen wir uns nicht wie üblich in einen regen Voltenverkehr einfädeln, sondern fliegen nach Standardprozedere einmal über den Platz, checken den Runway in use und landen nach 2 Stunden 13 Minuten sicher auf Piste 08.

Fazit: 24 Stunden Südfrankreich sind viiiel zu kurz – und lohnen sich dennoch! 🙂

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